Datenschutzrechtliche Verschärfungen im Sinne des Verbraucherschutzes und tiefgreifende Änderungen bei allen grossen Browsern – zuletzt nun auch Google Chrome – legen nahe, dass sich das Zeitalter der Third Party Cookies ab 2022 dem Ende entgegen geht. Mit der Änderung des Schweizer Datenschutzgesetzes (DSG) im September 2020 ist auch in der Schweiz klar: die Online-Werbebranche wird sich ändern (müssen). Aber was bedeutet das Wegfallen des Third Party Cookies eigentlich für das digitale Ökosystem, was können Werbetreibende zukünftig noch machen und was nicht und welche Tracking Alternativen gibt es?
Wir haben in 10 Fragen und Antworten die aktuellen Entwicklungen zusammengefasst und überlegt, wie die Zukunft ohne Third Party Cookies aussehen könnte…
Cookies sind Code-Schnipsel, die von Websites bzw. Browsern auf dem Computer eines Nutzers dieser Website zwischengespeichert werden. Sie dienen auf der einen Seite dem Nutzer dazu, seine Logins speichern zu können. Auf der anderen Seite helfen sie Websitebetreibern, das Surfverhalten der Nutzer zu tracken und die Website zu optimieren. Zudem können die Daten websiteübergreifend für die gezielte Auslieferung von Werbung genutzt werden.
Der Unterschied zwischen First und Third Party Cookies betrifft die Domain, welche den Cookie platziert hat. First Party Cookies werden von der Domain, die der Nutzer besucht, platziert und gespeichert. Third Party Cookies hingegen werden von “dritten” Anbietern platziert: durch Werbung, die auf der jeweiligen Domain geschaltet wird, können Nutzerdaten eingesammelt werden.
3rd Party Cookies geben dadurch domainübergreifend einen guten Einblick in das Surfverhalten eines Nutzers und ermöglichen die Erstellung eines Nutzerprofils. Dies wird aus datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten kritisiert.
Rechtliche Änderungen im Bereich Datenschutz haben den Stein zum Rollen gebracht: die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der EU ist seit Mai 2018 in Kraft getreten und betrifft auch Schweizer Unternehmen, die mit personenbezogenen Daten von Nutzern aus der Europäischen Union arbeiten. Im September 2020 ist auch in der Schweiz die DSG verabschiedet worden – damit verschärfen sich auch hier die Anforderungen unter anderem an die Werbeindustrie.
Anpassungen in der Nutzung von Third Party Cookies durch führende Browsern wie Firefox oder Safari haben die Notwendigkeit zum Umdenken weiter vorangetrieben. Und als nun auch Google im März 2021 bekannt gab, den Einsatz von Third Party Cookies nicht weiter zu unterstützen, war klar: da wird sich bald etwas ändern!
Werbetreibende, Publisher und Adtech Unternehmen müssen neue Wege finden, um gewünschte User zu identifizieren, zu targeten und personalisiert anzusprechen. Weiter wird auch der Bereich des Analytics und der Conversion Attribution stark beeinträchtigt werden.
Es ist davon auszugehen, dass die GAFA Unternehmen – insbesondere Google und Facebook – von den Veränderungen stark profitieren. Obwohl Google auch Daten aus Website-Cookies verliert, verfügen sie weiterhin über Unmengen an Nutzerdaten, die durch die vielen weit verbreiteten Produkte gesammelt werden. Google arbeitet zudem bereits an einer branchenübergreifenden Lösung, siehe Frage 9.
Der grosse Pluspunkt ist die Privatsphäre. Durch hohe Raten an Adblocker-Nutzung wurde in den letzten Jahren immer deutlicher, dass Nutzer nicht mit der Sammlung ihrer Daten einverstanden und genervt sind von penetranten Werbeanzeigen. Allerdings ist Werbung nicht gleich Werbung: manch eine individualisierte Ad, die auf die Interessen des Nutzers zugeschnitten, thematisch passend und ästhetisch sind, bieten auch Mehrwerte. Hinzu kommt, dass das Inhalte im Netz dank Finanzierung durch Werbung bislang weitgehend kostenfrei und einfach zugänglich für Nutzer waren. Dies wird sich voraussichtlich ändern hin zu mehr Premium-Inhalten für zahlende Nutzer.
Als Mediaagentur arbeiten wir mit verschiedenen Kunden zusammen und verfolgen gemeinsam mit ihnen verschiedene Kampagnenziele wie Reichweite, Engagement oder Leadgenerierung und das ĂĽber unterschiedlichste Plattformen und Publisher hinweg.
Trotz der Unterschiedlichkeiten gibt es aus unserer Sicht drei Kunden-, Branchen- und Zielübergreifende Use Cases, die zu hervorragenden Zielerfüllungen beitrugen und deren möglicher Wegfall uns sentimental stimmt:
1. KanalĂĽbergreifendes Retargeting
2. Eingeschränkte Verfügbarkeit vieler Audience Targetings
3. Das Tracking von View-Through-Conversions und die Nutzung von Frequency Cappings – beides wird wahrscheinlich nicht mehr so funktionieren wie heute
Weithin unangetastet bleibt der Bereich des Search Engine Advertisings. Hier werden Keywords für die Auslieferung von Anzeigen verwendet. Allerdings: inwieweit auch hier für Werbetreibende die conversionoptimierte Auslieferung von SEA Kampagnen funktioniert, bleibt fraglich. Auch das Facebook Remarketing wird wie gewohnt weiterlaufen können: Facebook Retargeting beruht in den meisten Fällen auf First Party Cookies und wird damit nicht betroffen sein.
Ein Umbruch bietet immer eine super Chance für neue Technologien, Konzepte und Kooperationen. So kursieren derzeit mehrere Alternativen für eine “cookieless” Werbeaussteuerung:
Lösungen, die auf Nutzeridentitäten basieren: Hier bildet die Zusammenarbeit von Publishern und Websites eine Möglichkeit, auf Basis von Logins oder statistischen Daten IDs zu entwickeln (Shared ID Solutions) oder CRM- und First Party Daten zu matchen. Ein Beispiel in der Schweiz ist die Member-Plattform “My 20 Minuten” von 20 Minuten. Hier startet der Publisher eine Login-Initiative, kooperiert mit weiteren Unternehmen und Anbietern und bietet so registrierten Nutzern täglich exklusive Inhalte und Angebote. Durch eine begleitende Kampagne wird gefördert, dass sich möglichst viele Nutzer registrieren.
Device fingerprinting: Hierbei werden das verwendete Gerät mit einer Reihe von anderen zugehörigen Datenpunkten wie dem Standort, der Zeitzoneneinstellungen oder dem Betriebssystem analysiert und für das Tracking des Users verwendet.
Contextual Advertising, bei dem Interessentargetings nicht anhand des Surfverhaltens, sondern des aktuellen Kontexts der Website, die der User besucht, festgemacht werden.
Ein häufig diskutierter Lösungsansatz, der sich im Bereich des Contextual Advertisings einordnen lässt, nennt sich “TURTLEDOVE” und steht für “Two uncorrelated Requests, Then Locally-Executed Decision on Victory”. Dabei würde der Browser abhängig vom Kontext der Website, auf der sich der User befindet, entscheiden, ob die vom Werbetreibenden definierten Interessen-Targetings erfüllt sind und je nach dem die Anzeige ausliefern.
Conversion Measurement API: Mittels APIs werden die via den Advertiser gemessenen Conversions an die jeweiligen Tools gesendet und können sowohl für die Optimierung und fürs Reporting genutzt werden.
Die Privacy Sandbox ist ein von Google ins Leben gerufenes Projekt mit dem Ziel, ein Web-Ökosystem zu entwickeln, “that is respectful of users and private by default”. Statt Cookies zu nutzen, sollen Webseiten dann Anfragen an APIs senden, welche Nutzerdaten anonymisiert sammeln und sich somit nicht auf das Individuum, sondern eine übergreifende Zielgruppe beziehen.
FLoC bzw. Federated Learning of Cohorts ist eine auf der Sandbox-Technologie entwickelten Lösung für interessensbasiertes Targeting, ohne 3rd Party Cookies zu nutzen. Dabei werden User nicht individuell getrackt, sondern mehrere User mit gleichen Interessen werden Kohorten zugeteilt.
Die Abschaffung der 3rd Party Cookies stellt die Online Werbelandschaft vor Herausforderungen aber birgt auch viele Chancen. Werbetreibende sollten insgesamt stark in alternative Identifier, die auf First-Party Daten beruhen, investieren.
Eine abschliessende Aussage zur cookielosen Zukunft kann noch nicht getroffen werden, da davon auszugehen ist, dass die oben aufgeführten Lösungsansätze noch weiter ausgereift werden und auch noch weitere innovative Lösungen auf den Markt kommen werden. Hier gilt es die Entwicklungen zu verfolgen und den Austausch mit Partnern zu suchen.
Mögliche Szenarien können aus unserer Sicht auf der Dimension Fragmentierung vs. Grosse Lösung entstehen: Wird es viele kleine, regionale Partnerschaften geben oder wenige grosse Lösungen, vorangetrieben von Google und Co.? Ein Zusammenspiel ist sicher denkbar.
nova impact verfolgt die aktuellsten Entwicklungen auf dem Markt und stellt sicher, dass Du deine Marketing Ziele auch in Zukunft erreichst.